Das Trainingsprogramm DIE GEDANKENLESER fördert Theory of Mind. Das ist die Fähigkeit zu verstehen, dass Menschen verschiedene Gedanken, Überzeugungen und Gefühle haben können. Theory of Mind und das damit verbundene Emotionswissen ermöglichen es, das eigene Verhalten und das anderer Menschen zu erklären und vorherzusagen. Theory of Mind ist deshalb wichtig für ein erfolgreiches soziales Miteinander.
Was ist Theory of Mind?
Jemand, der über ToM-Kompetenzen verfügt,
- weiß, dass Menschen mentale Zustände wie Gedanken, Gefühle, Wünsche und Absichten haben.
- ist in der Lage, sich in die Gedanken und Gefühle anderer Menschen hineinzuversetzen.
Beispiel: Ein Kind versteht, dass seine beste Freundin gerade an die morgige Matheprüfung denkt und sich Sorgen macht, ob sie genug dafür gelernt hat.
- versteht, dass sich das eigene Wissen, die eigenen Überzeugungen, Gefühle und Wünsche von denen anderer Menschen unterscheiden können.
Beispiel: Ein Kind mag selbst gerne Schokoladeneis und weiß, dass seine Mutter lieber Erdbeereis isst.
Ein Kind weiß, dass sein Vater denkt, der Hund hat die Wurst geklaut, weil er nicht gesehen hat, dass die Katze die Wurst gefressen hat.
- erkennt die Gefühle und Gedanken anderer Menschen und kann auf dieser Grundlage ihr Verhalten interpretieren und erklären.
Beispiel: Ein Kind erkennt an dem müden Gesichtsausdruck seines Freundes, dass es ihm heute nicht gut geht. Es versteht, dass er heute deshalb keine Lust zum Spielen hat.
- kann erfolgreich an sozialen Interaktionen teilnehmen und effektiv kommunizieren.
Beispiel: Im Streit kann ein Kind den Standpunkt eines anderen einnehmen und sein Verhalten einordnen. Es kann selbst seine Gefühle und Gedanken den anderen erklären.
Der Erwerb von Theory of Mind
Kinder erwerben Theory of Mind in verschiedenen Schritten im Alter von 3–9 Jahren. Ab dem Alter von 4–5 Jahren sind sie in der Lage, falsche Überzeugungen zu erkennen.
Nach Peterson, Wellmann und Liu (2005) entwickeln Kinder Theory of Mind in mehreren Stufen.
Was ist Emotionswissen?
Emotionen sind mentale Zustände. Emotionswissen ist die Fähigkeit, die eigenen Gefühle und die Gefühle anderer Menschen zu erkennen und zu verstehen. Emotionswissen ist ein Teil von Theory of Mind.
Jemand, der über Emotionswissen verfügt,
- ist in der Lage, Gefühle zu erkennen und zu benennen.
Beispiel: Ein Kind erkennt an der Mimik und der Körperhaltung seiner Lehrerin, dass sie sich sehr ärgert. Es beherrscht die Worte / die Gebärden „sich ärgern“ und „wütend“.
- weiß, welche Ursachen Emotionen auslösen können.
Beispiel: Ein Kind sieht den fröhlichen Gesichtsausdruck der Mutter und schlussfolgert, dass sie sich über das Geschenk freut.
- versteht, dass Menschen ihre Emotionen verbergen können und kennt die Gründe dafür.
Beispiel: Ein Kind erkennt, dass sein Freund zwar über das Loch in seiner Hose fröhlich lacht, aber es ihm eigentlich fürchterlich peinlich ist.
- weiß, dass Menschen gemischte Emotionen haben können, die ambivalent sein können.
Beispiel: Ein Kind versteht, dass der Großvater sich auf die Urlaubsreise freut, aber auch traurig ist, weil er dann lange seine Enkel nicht sehen kann.
- kann die eigenen Emotionen regulieren.
Beispiel: Ein Kind kennt verschiedene Strategien, sich selbst zu beruhigen, wenn es sehr wütend ist.
- kann mit Emotionen anderer umgehen und versteht menschliches Verhalten, das auf Emotionen basiert.
Beispiel: Ein Kind sieht, dass sein Freund traurig ist, weil seine Katze weggelaufen ist. Es tröstet seinen Freund und hilft bei der Suche.
Erwerb von Emotionswissen
Nach Pons, Harris & de Rosnay (2004) entwickeln Kinder neun verschiedene Komponenten des Emotionswissens im Alter von 3–10 Jahren.
Theory of Mind und Emotionswissen mit den GEDANKENLESERN trainieren
Das Programm DIE GEDANKENLESER trainiert Theory of Mind und ist strikt theoriegeleitet, indem es an die Entwicklungsschritte von Theory of Mind und dem Emotionswissen nach Peterson, Wellmann & Liu (2005) und Pons, Harris, & de Rosnay (2004) anknüpft.
Die einzelnen Entwicklungsschritte werden in neun verschiedenen Modulen trainiert.
Die Entwicklung von Theory of Mind ist eng an den Spracherwerb gebunden. Aus diesem Grund werden im Modul Sprache die entsprechenden Sprachkompetenzen in Laut- und Gebärdensprachen trainiert.
Einführende Literatur
Peterson, C. C., Wellman, H. M. & Liu, D. (2005): Steps in theory-of-mind development for children with deafness or autism. Child Development, 76 (2), 502–517.
Pons, F., Harris, P. L. & de Rosnay, M. (2004). Emotion comprehension between 3 and 11 years: developmental periods and hierarchical organization. European Journal of Developmental Psychology 1 (2), 127-152.
Hier finden Sie weiterführende Publikationen zu Theory of Mind und Emotionswissen: Publikationsliste.